Das im Jahr 2008 von der Europäischen Kommission ausgesprochene vorzeitige Verbot der Fischerei auf Roten Thun kann keinen Entschädigungsanspruch zugunsten der Fischer auslösen. Dies hat der EuGH mit Urteil vom 13.9.2017 entschieden. Nach Auffassung des EuGH war die Klage italienischer Fischer beim Gericht offensichtlich unbegründet, weil sie sich zu ihren Gunsten auf eine Frist berufen hatten, die den spanischen Fischern zu Unrecht gewährt worden war.

Salvatore Aniello Pappalardo und mehrere italienische Gesellschaften sind Eigner von Schiffen, mit denen die Ringwadenfischerei auf Roten Thun betrieben werden darf. Ihnen waren für das Jahr 2008 Fangquoten zugeteilt worden. Mit einer Verordnung VO (EG) Nr. 530/2008 verbot die Kommission die an sich bis zum 30.6.2008 zulässige Fischerei auf Roten Thun für Ringwadenfischer, die die Flagge Griechenlands, Frankreichs, Italiens, Zyperns oder Maltas führten, ab dem 16.6.2008 (Art. 1) und für diejenigen, die die Flagge Spaniens führten, ab dem 23.6.2008 (Art. 2). Der Gerichtshof erklärte die Verordnung teilweise, beschränkt auf ihren Art. 2, für ungültig, weil die mit ihr erlassenen Verbote für die spanischen Ringwadenfischer und für die übrigen Ringwadenfischer zu verschiedenen Zeitpunkten wirksam wurden.

Im Jahr 2013 erhoben Pappalardo und die betroffenen Gesellschaften beim Gericht der Europäischen Union eine Klage, mit der sie einen Betrag von über 6,5 Millionen Euro zum Ersatz des Schadens verlangten, der ihnen entstanden sei, weil sie durch die Verordnung diskriminiert worden seien. Im angefochtenen Urteil hat das EuG die Klage mit der Begründung abgewiesen, dass die Festlegung zweier verschiedener Zeitpunkte für griechische, französische, italienische, zyprische und maltesische Ringwadenfischer einerseits und spanische Ringwadenfischer andererseits als solche keinen offensichtlichen Verstoß gegen das Diskriminierungsverbot darstelle. Die Verordnung von 2008 habe nämlich nicht dem Schutz wirtschaftlicher Fischereivorrechte bestimmter Ringwadenfischer im Verhältnis zu anderen gedient, sondern dem im Allgemeininteresse liegenden Ziel, eine ernsthafte Gefährdung der Erhaltung und Wiederauffüllung der Bestände von Rotem Thun im Ostatlantik und im Mittelmeer zu verhindern.

Pappalardo und die betroffenen Gesellschaften haben daraufhin Rechtsmittel geführt, indem sie beantragen, das Urteil des Gerichts aufzuheben und ihrem Antrag auf Schadenersatz stattzugeben. Sie werfen dem Gericht vor, bei seiner Prüfung des Grundsatzes der Rechtskraft einen Rechtsfehler begangen zu haben. Es habe nämlich in einem früheren Beschluss die Klage Italiens auf Nichtigerklärung des Art. 1 der Verordnung für in der Hauptsache erledigt erklärt, weil die Verordnung insgesamt für ungültig erklärt worden sei. Pappalardo und die betroffenen Gesellschaften werfen dem Gericht ferner vor, bei der Anwendung des Erfordernisses eines rechtswidrigen Verhaltens der Kommission einen Rechtsfehler begangen zu haben.

Der EuGH weist das Rechtsmittel zurück. Er stellt zunächst fest, dass sich die Rechtskraft lediglich auf diejenigen Tatsachen- und Rechtsfragen erstreckt, die tatsächlich oder notwendigerweise Gegenstand einer gerichtlichen Entscheidung waren. Da das Gericht in seinem Erledigungsbeschluss nicht über die Klage Italiens auf Nichtigerklärung der Verordnung von 2008 entschieden hat, könne ihm nicht vorgeworfen werden, dadurch einen Rechtsfehler begangen zu haben, dass es im angefochtenen Urteil den Schadenersatzantrag der Rechtsmittelführer auf der Grundlage der Urteile AJD Tuna sowie Buono und Giordano beurteilt hat. Zudem konnten nach Auffassung des EuGH durch den Beschluss bei Pappalardo und den betroffenen Gesellschaften keine begründeten Erwartungen geweckt werden.

Außerdem hebt der EuGH hervor, dass der Grundsatz der Gleichbehandlung mit der Beachtung des Gebots rechtmäßigen Handelns in Einklang gebracht werden muss, wonach sich niemand zu seinem Vorteil auf eine zugunsten eines anderen begangene Rechtsverletzung berufen kann. Daher könne der Umstand, dass den Ringwadenfischern, die die spanische Flagge führten, zu Unrecht eine zusätzliche Fangwoche zur Verfügung stand, keinen Entschädigungsanspruch für griechische, französische, italienische, zyprische und maltesische Ringwadenfischer auslösen. Da die Verordnung insofern ungültig sei, als sie die spanischen Ringwadenfischer begünstigte, betreffe sie nicht die Situation von Pappalardo und der betroffenen Gesellschaften, sodass diese sich nach dem EuGH-Urteil nicht auf die Ungültigkeit der Verordnung berufen konnten.

EuGH, Urteil v. 13.9.2017 – C-350/16 P