Die Einwilligung einer Patientin in eine Operation mit einer neuen, noch nicht allgemein eingeführten Methode (Neulandmethode) ist unwirksam, wenn die Patientin nicht besonders darauf hingewiesen wird, dass es sich um ein neues Verfahren handelt, bei dem auch unbekannte Risiken auftreten können. Dies hat das Oberlandesgericht Hamm mit Urteil vom 23.01.2018 entschieden und ein von der Vorinstanz ausgeurteiltes Schmerzensgeld bestätigt.

Die Klägerin begab sich im April 2008 in ein Krankenhaus der Beklagten. Sie stellte sich wegen einer Belastungsharninkontinenz in der urodynamischen Sprechstunde vor. Der Klägerin wurde nach Diagnosestellung das operative Einbringen eines Netzes vorgeschlagen. Hierbei handelte es sich um eine im Jahre 2008 nicht allgemein eingeführte sogenannte Neulandmethode. Nach einem weiteren ärztlichen Aufklärungsgespräch stimmte die Klägerin dem neuen Operationsverfahren zu. Der operative Eingriff erfolgte noch im April 2008. In der Folgezeit litt die Klägerin an einer Dyspareunie und einer restlichen Harninkontinenz. Bis zum April 2009 unterzog sie sich fünf weiteren Operationen, bei denen weite Teile des Netzgewebes entfernt wurden. Danach verblieben persistierende Schmerzempfindungen.

Unter anderem mit der Begründung, unzureichend über alternative Behandlungsmethoden und Risiken der Neulandmethode aufgeklärt worden zu sein, verlangte die Klägerin von der Beklagten Schadensersatz, insbesondere ein Schmerzensgeld in Höhe von mindestens 50.000 Euro. Nach dem Einholen eines gynäkologischen Sachverständigengutachtens gab das Landgericht der Klage teilweise statt und sprach der Klägerin ein Schmerzensgeld in Höhe von 35.000 Euro zu. Die Beklagte legte Berufung ein.

Das Oberlandesgericht hat die LG-Entscheidung bestätigt und die Berufung zurückgewiesen. Der operative Eingriff an der Klägerin sei rechtswidrig gewesen. Denn die Klägerin sei fehlerhaft über die unzureichende Erfahrung mit den möglichen Folgen des neuen Operationsverfahrens aufgeklärt worden und ihre Einwilligung daher unwirksam gewesen. Wie das OLG erläutert, sei die Klägerin nicht in hinreichender Weise auf die seinerzeit noch nicht abschließend bekannten Risiken der neuen Methode hingewiesen worden. Nach den Ausführungen des Sachverständigen habe das neue Verfahren im Jahre 2008 zwar als erfolgversprechender als die bisherige klassische Methode gegolten. Allerdings habe es im Jahre 2008 in Deutschland noch keine belastbaren Informationen über konkrete Risiken der angewandten neuen Methode gegeben. Die klinische Erprobungsphase des seit dem Jahre 2005 zunächst in den USA eingesetzten Verfahrens sei noch nicht abgeschlossen gewesen. So sei auch noch nicht bekannt gewesen, dass das Einsetzen eines Netzes im Beckenbodenbereich massive gesundheitliche Probleme nach sich ziehen könne.

Bei dieser Sachlage habe die Klägerin explizit darauf hingewiesen werden müssen, dass es sich um ein neues, noch nicht abschließend beurteilbares Verfahren handele, so das OLG. Ihr hätte ausdrücklich verdeutlicht werden müssen, dass auch unbekannte Komplikationen auftreten könnten. Als Patientin habe sie in die Lage versetzt werden müssen, für sich sorgfältig abzuwägen, ob sie sich nach der herkömmlichen Methode mit bekannten Risiken operieren lassen wolle oder nach der neuen Methode unter Berücksichtigung der in Aussicht gestellten Vorteile und der noch nicht in jeder Hinsicht bekannten Gefahren. Diesen gesteigerten Anforderungen habe die Aufklärung nicht genügt.