Nachbarn müssen keine Pferdehaltung in einem Offenstall in unmittelbarer Nähe zu ihrem
Einfamilienhaus dulden, wenn der Stall ohne Baugenehmigung und unter Verstoß gegen das öffentlich-rechtliche Gebot der Rücksichtnahme errichtet wurde.
Die Parteien sind Nachbarn. Die Beklagte zu 1 ist Inhaberin eines Pferdehofs. Sie errichtete ohne
Baugenehmigung auf ihrem im Außenbereich gelegenen Grundstück in einer Entfernung von etwa 12
Metern vom Einfamilienhaus der Klägerin einen Offenstall für Pferde und stellte darin Pferde ein. Die
Beklagte zu 2, deren Geschäftsführerin die Beklagte zu 1 ist, betreibt auf dem Grundstück eine
Reitschule. Die Bauaufsichtsbehörde lehnte im September 2013 die Erteilung einer Baugenehmigung ab.
Die von der Beklagten zu 1 gegen diese Ablehnung erhobene Klage wies das Verwaltungsgericht 2016
mit der Begründung ab, der Offenstall lasse die gebotene Rücksichtnahme auf das Wohnhaus der
jetzigen Klägerin vermissen. Hierbei falle insbesondere ins Gewicht, dass sich der Stall unmittelbar an der
Grenze zum Grundstück der jetzigen Klägerin in einer Entfernung von etwa 12,5 Metern zu deren
Ruheräumen befinde und die Boxen mit dem Auslauf zum Wohnhaus ausgerichtet seien. Das
verwaltungsgerichtliche Urteil ist rechtskräftig.
Nun geht die Klägerin gegen den Offenstall vor. Das Landgericht verurteilte die Beklagten, die Haltung
von Pferden in dem Offenstall zu unterlassen. Auf Berufung der Beklagten wies das Oberlandesgericht
die Klage ab, soweit sie sich gegen die Beklagte zu 2 richtet. Hinsichtlich der Beklagten zu 1 beschränkte
es die Verurteilung darauf, dass bei der Haltung von Pferden in dem Offenstall die Immissionsrichtwerte
nach der jeweils geltenden TA Lärm nicht überschritten werden dürften.
Der BGH hat das Berufungsurteil aufgehoben und das LG-Urteil im Verhältnis zur Beklagten zu 1 in der
Sache wiederhergestellt. Hinsichtlich der Beklagten zu 2 hat er die Sache an das Berufungsgericht
zurückverwiesen. Die Klägerin habe aus § 1004 Abs. 1 Satz 1 analog in Verbindung mit § 823 Abs. 2 BGB
und dem öffentlich-rechtlichen Gebot der Rücksichtnahme einen Anspruch darauf, dass die Beklagte
zu 1 die Haltung von Pferden in dem Offenstall auf ihrem Grundstück unterlässt. Die Verletzung
nachbarschützender Vorschriften des öffentlichen Baurechts könne einen solchen
verschuldensunabhängigen Unterlassungsanspruch des Nachbarn begründen. Zu solchen Normen
zähle das Gebot der Rücksichtnahme.
Dass die Errichtung und die zweckgemäße Nutzung des Offenstalls im Verhältnis zu der Klägerin gegen
das Gebot der Rücksichtnahme verstießen, stehe aufgrund des rechtskräftigen Urteils des VG mit
Bindungswirkung für den Zivilprozess fest. Damit stelle die Pferdehaltung in dem Stall zivilrechtlich im
Verhältnis zur Klägerin einen Verstoß gegen ein Schutzgesetz im Sinn von § 823 Abs. 2 BGB dar, sodass
diese einen Anspruch aus § 1004 Abs. 1 Satz 1 BGB analog auf Unterlassung dieser Nutzung des Stalls
hat. Für das Vorliegen der für den Unterlassungsanspruch erforderlichen Wiederholungsgefahr spreche
aufgrund der bereits erfolgten rechtswidrigen Nutzung des Stalls eine tatsächliche Vermutung, die nach
rechtsfehlerfreier Würdigung des Berufungsgerichts selbst dann nicht widerlegt wäre, wenn die Beklagte
zu 1 seit 2016 keine Pferde mehr in den Stall eingestellt haben sollte.
Hinsichtlich der Beklagten zu 2 konnte das Urteil laut BGH ebenfalls keinen Bestand haben, da die
Klägerin gegen diese aus § 1004 Abs. 1 Satz 2 in Verbindung mit § 906 BGB einen Anspruch darauf
haben könne, keine Pferde in den Offenstall einzustellen. Im Hinblick darauf, dass die Klägerin weder
anhand des Aussehens der Pferde noch – aufgrund der Personenidentität auf Beklagtenseite – anhand
der äußeren Abläufe beurteilen und darlegen oder gar beweisen könne, welche Pferde jeweils im
Eigentum der Beklagten zu 1 oder der Beklagten zu 2 stünden oder gestanden hätten, treffe die
Beklagte zu 2 eine sekundäre Darlegungslast hinsichtlich der Behauptung der Klägerin, sie (die Beklagte
zu 2) habe Pferde in den Offenstall eingestellt. Dieser habe sie bislang nicht genügt. Sie werde in dem
erneuten Verfahren vor dem Berufungsgericht zunächst vorzutragen haben, welche Pferde in dem von
der Klägerin behaupteten Zeitraum der Nutzung des Offenstalls in ihrem Eigentum gestanden hätten
und wo diese untergestellt gewesen seien.