Der III. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat mit Urteil vom 17.10.2019 entschieden, dass einem Vertragspartner ein Anspruch auf Ersatz der Kosten zustehen kann, die ihm entstanden sind, weil er entgegen der Vereinbarung eines ausschließlichen Gerichtsstands in Deutschland vor einem US-amerikanischen Gericht verklagt worden ist.
Die Parteien sind Telekommunikationsunternehmen. Die Beklagte hat ihren Sitz in Bonn, die Klägerin ist in Washington D.C. ansässig. Sie sind durch ein „Internet Peering Agreement“ verbunden, nach dem sie wechselseitig verpflichtet sind, den Datenverkehr der jeweils anderen Partei an sogenannten Peering-Punkten aufzunehmen, in ihrem Netzwerk an die darüber angeschlossenen Kunden weiter zu transportieren und dabei für die erforderliche Übertragungskapazität an den Peering-Punkten innerhalb ihrer Netzwerke zu sorgen. Der Vertrag enthält die Vereinbarung, dass deutsches Recht anwendbar und Gerichtsstand Bonn ist.
Nachdem Bestrebungen der Klägerin, die (kostenlose) Aufstockung von Übertragungskapazitäten zu erreichen, erfolglos geblieben waren, erhob sie im Jahr 2016 Klage vor einem Bundesgericht (District Court) in den USA, mit der sie die Schaffung zusätzlicher Kapazitäten begehrte. Dieses Gericht wies die Klage aufgrund der Gerichtsstandvereinbarung wegen fehlender Zuständigkeit ab. Eine Kostenerstattung findet in den USA nach der „American Rule of Costs“ grundsätzlich nicht statt. Der District Court ordnete eine solche auch nicht an.
Die Klägerin erhob nunmehr eine inhaltlich entsprechende Klage vor dem Landgericht Bonn. Mit der Widerklage verlangt die Beklagte Ersatz der ihr durch die Verteidigung gegen die Klage vor dem District Court entstandenen Kosten, die sie auf 196.118,03 USD beziffert. Das Landgericht hatte die Klage abgewiesen und der Widerklage stattgegeben. Die Klägerin hatte beschränkt auf die Widerklage Berufung eingelegt. Auf diese hatte das Oberlandesgericht die Widerklage abgewiesen.
Der Bundesgerichtshof hat auf die Revision der Beklagten das Urteil des Oberlandesgerichts aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung dorthin zurückverwiesen. Die Vereinbarung des Gerichtsstands in Bonn und der Geltung deutschen Rechts sei dahin auszulegen, dass die Parteien verpflichtet sind, Klagen aus dem Vertrag nur in diesem Gerichtsstand zu erheben und widrigenfalls jedenfalls soweit das angerufene Gericht, wie der District Court, seine Unzuständigkeit erkannt hat, der anderen Partei die dadurch entstandenen Kosten der zweckentsprechenden Rechtsverteidigung zu erstatten.
Mit einer solchen Vereinbarung hätten die Parteien ihr Interesse zum Ausdruck gebracht, Rechtsstreitigkeiten sowohl in materiell-rechtlicher als auch in prozessualer Hinsicht planbar zu machen. Mit ihr wollten gerade die im internationalen Rechtsverkehr tätigen Vertragsparteien Rechtssicherheit schaffen und (auch wirtschaftliche) Prozessrisiken berechenbar machen. Sie bezweckten mit der Festlegung auf einen konkreten Gerichtsort die Auswahl eines bestimmten Gerichtsstands und wollten insbesondere ein nachträgliches „forum shopping“ durch eine Vertragspartei verhindern.
Dieser Zweck, Streitigkeiten über die Zuständigkeit und damit auch unnötige Kosten für die Anrufung eines unzuständigen Gerichts zu vermeiden, könne, wenn er durch die Anrufung eines Gerichts unter Verstoß gegen die Vereinbarung konterkariert werde, nur dadurch verwirklicht werden, dass der dadurch belasteten Partei ein Anspruch auf Kostenerstattung zugestanden wird. Mit der Vereinbarung deutschen Rechts insgesamt hätten die Parteien zudem den aus § 280 Abs. 1 BGB folgenden allgemeinen Grundsatz anerkannt, dass eine Nichtbeachtung vertraglicher Pflichten, namentlich auch die pflichtwidrige Anrufung eines Gerichts, einen Ersatzanspruch begründen kann, so der BGH weiter. Gleiches gelte auch für das Prinzip, dass eine in einem Zivilrechtsstreit unterliegende Partei der anderen zur Erstattung der zur Rechtsverteidigung erforderlichen Kosten verpflichtet ist.
Dass nach der Rechtsprechung des BGH allein in der Inanspruchnahme eines staatlichen, gesetzlich geregelten Rechtspflegeverfahrens zur Durchsetzung vermeintlicher Rechte grundsätzlich keine zum Schadensersatz verpflichtende Vertragsverletzung gesehen werden könne, stehe dem nicht entgegen. Dieser Grundsatz schütze den verfassungsrechtlich gewährleisteten freien Zugang zu staatlichen Gerichten. Dieser Zugang werde durch das Risiko der Pflicht zur Kostenerstattung, das jeder Klageerhebung innewohnt, nicht in verfassungsrechtlich bedenklicher Weise eingeschränkt.
Mit ihrer Klage vor dem Bundesgericht in den USA habe die Klägerin diese Verpflichtungen schuldhaft verletzt und sich daher schadensersatzpflichtig gemacht. Da zur Erforderlichkeit der Kosten, die der Beklagten durch die vorsorgliche Einlassung vor dem District Court auch zur Sache entstanden sind, noch Feststellungen erforderlich seien, könne der Senat in der Sache nicht abschließend entscheiden und habe diese daher an das Berufungsgericht zur neuen Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen.