Die behördliche Pflicht zur Öffentlichkeitsinformation über Verstöße von Unternehmen gegen lebensmittel- und futtermittelrechtliche Vorschriften in § 40 Abs. 1a LFGB ist bei verfassungskonformer Anwendung grundsätzlich nicht zu beanstanden. Allerdings sei die Regelung insoweit mit der Berufsfreiheit unvereinbar, als die Information der Öffentlichkeit zeitlich nicht begrenzt sei. Nach dem BVerfG muss der Gesetzgeber nun bis Ende April 2019 eine Befristungsregelung treffen.

§ 40 Abs. 1a LFGB wurde im Jahr 2012 in das seit 2005 geltende Lebensmittel- und Futtermittelgesetzbuch eingefügt. Die Vorschrift ermächtigt und verpflichtet die Behörden, die Öffentlichkeit von Amts wegen über Verstöße von Lebens- und Futtermittelunternehmen gegen Grenzwertregelungen und alle sonstigen Vorschriften im Anwendungsbereich des Gesetzes zu unterrichten, die dem Schutz der Verbraucher vor Gesundheitsgefährdungen oder vor Täuschung oder der Einhaltung hygienischer Anforderungen dienen. Eine aktuelle Gesundheitsgefahr ist dabei nicht vorausgesetzt. Anders als § 40 Abs. 1 LFGB sieht der neuere Abs. 1a hinsichtlich der Veröffentlichung einer Information keinen behördlichen Ermessensspielraum vor. Vielmehr ist die Behörde gebunden und zur Veröffentlichung verpflichtet. Damit reagierte der Gesetzgeber auf die – insbesondere in Ansehung aktueller Lebensmittelskandale – als zu zögerlich empfundene Behördenpraxis. Er wollte zur effektiven Öffentlichkeitsinformation eine striktere Rechtsgrundlage schaffen. Nachdem einige Oberverwaltungsgerichte und Verwaltungsgerichtshöfe in Verfahren des Eilrechtsschutzes Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit der Norm geäußert hatten und die niedersächsische Landesregierung einen Normenkontrollantrag gestellt hatte, wurde die Regelung in den Bundesländern nicht mehr vollzogen.

Das BVerfG hat dem Normenkontrollantrag stattgegeben. Der Antrag sei zulässig. Dass das Lebensmittel- und Futtermittelgesetzbuch nach § 1 Abs. 3 LFGB auch der Umsetzung und Durchführung von Rechtsakten der Europäischen Union diene, stehe der Überprüfung von § 40 Abs. 1a LFGB durch das BVerfG am Maßstab des Grundgesetzes nicht entgegen. § 40 Abs. 1a LFGB beruhe nicht auf zwingenden Vorgaben des Unionsrechts, sondern gehe über diese hinaus und könne daher an den Grundrechten des Grundgesetzes gemessen werden. Der Normenkontrolle stehe auch nicht entgegen, dass teilweise angenommen wurde, das Unionsrecht regle die Öffentlichkeitsinformation hier abschließend und entfalte gegenüber weitergehenden mitgliedstaatlichen Informationsregelungen Sperrwirkung. Das BVerfG überprüfe die Vereinbarkeit eines nationalen Gesetzes mit dem Grundgesetz auch, wenn zugleich Zweifel an der Vereinbarkeit des Gesetzes mit EU-Sekundärrecht bestehen.

Der Antrag ist laut BVerfG auch begründet. Die angegriffene Vorschrift sei zwar in formeller Hinsicht mit der Verfassung vereinbar. Insbesondere bestehe eine Gesetzgebungskompetenz des Bundes. Für die Regelung der Informationstätigkeit der Behörden im Bereich des Lebensmittel- und Futtermittelrechts habe der Bund das Recht der Gesetzgebung nach Art. 74 Abs. 1 Nr. 20 GG in Verbindung mit Art. 72 Abs. 2 GG. Die bundesrechtliche Regelung der Öffentlichkeitsinformation sei zur Wahrung der Wirtschaftseinheit erforderlich, weil sie die Einheitlichkeit und Verständlichkeit der Information für ein bundesweites Marktgeschehen sichert.

§ 40 Abs. 1a LFGB verstoße aber teilweise gegen die Berufsfreiheit, beanstandet das BVerfG. Die Regelung ermächtige und verpflichte die zuständigen Behörden zu Eingriffen in den Schutzbereich des Art. 12 Abs. 1 GG. Die Veröffentlichungen nach § 40 Abs. 1a LFGB seien an Art. 12 Abs. 1 GG zu messen, weil sie als administrative Maßnahmen direkt auf die Marktbedingungen individualisierter Unternehmen zielen, das Konsumverhalten von Verbrauchern beeinflussen und auf diese Weise mittelbar-faktisch die Markt- und Wettbewerbssituation zum wirtschaftlichen Nachteil der betroffenen Unternehmen verändern.

Nach Ansicht des BVerfG ist § 40 Abs. 1a LFGB aber teilweise unverhältnismäßig. Zwar seien die mit § 40 Abs. 1a LFGB verfolgten Zwecke, die Schaffung einer hinreichenden Grundlage für eigenverantwortliche Konsumentscheidungen der Verbraucher und die Durchsetzung der Bestimmungen des Lebensmittel- und Futtermittelrechts, legitim. Auch hält das BVerfG § 40 Abs. 1a LFGB bei verfassungskonformer Anwendung für geeignet, diese Zwecke zu erreichen. Dabei sei nicht nur die Publikation anhaltender, sondern auch die Veröffentlichung bereits beseitigter Verstöße zur Zweckerreichung geeignet. Die Publikation behobener Verstöße erhöhe die abschreckende Wirkung der Informationsregelung und fördere damit die Einhaltung der einschlägigen Vorschriften. Daneben diene die Veröffentlichung behobener Verstöße auch dem Ziel der Verbraucherinformation, weil auch Informationen über rechtsverletzendes Verhalten in der Vergangenheit für die Konsumentscheidung Bedeutung haben können.

Der Gesetzgeber habe im Ergebnis auch hinreichend berücksichtigt, dass nur die Verbreitung richtiger Information zur Erreichung des Informationszwecks geeignet ist. Nach § 40 Abs. 4 LFGB sei die Behörde gegebenenfalls zur Richtigstellung verpflichtet. Zur Sicherstellung der Eignung müssen die Behörden laut BVerfG allerdings aus verfassungsrechtlichen Gründen weitere Vorkehrungen treffen, um die Richtigkeit der Information zu gewährleisten und Fehlvorstellungen der Verbraucher zu vermeiden. Die zuständigen Behörden müssten die Information mit der Mitteilung verbinden, ob und wann ein Verstoß behoben worden sei. Um die Verbreitung von falschen und damit zur Erreichung der Gesetzeszwecke ungeeigneten Informationen zu verhindern, dürfe außerdem von der nach § 40 Abs. 1a LFGB bestehenden Möglichkeit, die Öffentlichkeit bereits im Fall des hinreichend begründeten Verdachts eines Verstoßes zu informieren, nur unter strengen Voraussetzungen Gebrauch gemacht werden.

Dem BVerfG zufolge ist die Regelung zudem erforderlich und weitgehend auch verhältnismäßig im engeren Sinne. Der Gesetzgeber habe im Grunde eine verfassungsrechtlich vertretbare Bewertung und Abwägung der gegenläufigen Interessen vorgenommen. Den mit der Regelung verfolgten legitimen Zwecken stehe insbesondere im Fall der Veröffentlichung von teilweise nicht endgültig festgestellten, teilweise bereits behobenen Rechtsverstößen über das Internet eine potentiell hohe Grundrechtsbeeinträchtigung der betroffenen Unternehmen in Form eines erheblichen Verlusts des Ansehens und von Umsatzeinbußen bis hin zur Existenzvernichtung gegenüber. Der Grundrechtseingriff werde allerdings dadurch relativiert, dass die betroffenen Unternehmen negative Öffentlichkeitsinformationen durch rechtswidriges Verhalten selbst veranlassen und dass ihr Fehlverhalten angesichts seiner Konsequenzen für die Verbraucher einen Öffentlichkeitsbezug aufweist. Das BVerfG hält es im Grundsatz für angemessen, die Interessen der Unternehmen im Fall eines im Raum stehenden Rechtsverstoßes hinter die Schutz- und Informationsinteressen der Verbraucher zurücktreten zu lassen. Dies gelte auch, wenn Rechtsverstöße nicht mit einer Gesundheitsgefährdung verbunden sind. Das BVerfG weist darauf hin, dass die Regelung die Veröffentlichungspflicht an Tatbestandsvoraussetzungen knüpfe, die verfassungskonform so angewendet werden müssten, dass nur über Verstöße von hinreichendem Gewicht informiert wird.

Für unverhältnismäßig im engeren Sinn erachtet das BVerfG die Regelung aber insofern, als eine zeitliche Begrenzung der Informationsverbreitung im Gesetz fehlt. Die mit der Regelung einhergehenden Grundrechtsbeeinträchtigungen gerieten mit der Dauer der Veröffentlichung außer Verhältnis zu den mit der Veröffentlichung erreichbaren Zwecken. Je länger die Verbreitung andauere, desto größer werde die Diskrepanz zwischen der über die Zeit steigenden Gesamtbelastung des Unternehmens einerseits und dem abnehmenden Wert der Information für die Verbraucher andererseits und desto weniger sei den Betroffenen die Veröffentlichung zuzumuten. Je weiter der Verstoß zeitlich entfernt sei, desto geringer sei auf der einen Seite noch der objektive Informationswert seiner Verbreitung, weil sich vom Verstoß in der Vergangenheit objektiv immer weniger auf die aktuelle Situation des betroffenen Unternehmens schließen lasse. Je länger eine für das Unternehmen negative Information in der Öffentlichkeit verbreitet werde, desto größer sei auf der anderen Seite dessen Belastung, weil umso mehr Verbraucher im Lauf der Zeit von dieser Information zuungunsten des Unternehmens beeinflusst werden könnten. Eine zeitliche Begrenzung der Veröffentlichung sei daher verfassungsrechtlich geboten.

Das BVerfG weist darauf hin, dass die zeitliche Begrenzung durch Bundesgesetz geregelt werden müsse und nicht allein durch Behördenpraxis oder Rechtsprechung erfolgen könne. Für die konkrete Ausgestaltung der Befristung seien unterschiedliche, jeweils bedeutende Belange und Parameter zu gewichten und gegeneinander abzuwägen. Das sei gesetzlicher Regelung vorbehalten. Eine hinreichend konkrete gesetzliche Befristung finde sich weder in § 39 Abs. 2 LFGB, noch lasse sie sich durch Löschungserfordernisse des Datenschutzrechts gewinnen.