Das Amt der Europäischen Union für geistiges Eigentum (EUIPO) muss erneut prüfen, ob die dreidimensionale Form des Produkts „Kit Kat 4 Finger“ als Unionsmarke aufrechterhalten werden kann. Der Nachweis der durch Benutzung erlangten Unterscheidungskraft sei nämlich für alle betroffenen Mitgliedstaaten zu erbringen, nicht nur für die überwiegende Anzahl, wie das EUIPO angenommen habe, erläuterte das Gericht der Europäischen Union seine Entscheidung vom 15.12.2016.
Im Jahr 2002 meldete das Unternehmen Nestlé beim EUIPO die dreidimensionale Marke, die dem von ihr vermarkteten Produkt „Kit Kat 4 Finger“ entspricht, als Unionsmarke an. Das EUIPO trug die Marke im Jahr 2006 für folgende Erzeugnisse ein: Bonbons, Bäckereierzeugnisse, feine Backwaren, Kleingebäck, Kuchen, Waffeln. Im Jahr 2007 beantragte Cadbury Schweppes (nunmehr Mondelez UK Holdings & Services) beim EUIPO die Nichtigerklärung der Marke. 2012 wies das EUIPO diesen Antrag in der Erwägung zurück, dass die Marke von Nestlé aufgrund ihrer Benutzung in der Union Unterscheidungskraft erlangt habe. Mondelez beantragte daraufhin beim EuG die Aufhebung der Entscheidung des EUIPO.
Mit seinem Urteil folgt das Gericht diesem Antrag. Es erinnert zunächst daran, dass, wenn eine Marke für eine Gruppe von Waren eingetragen worden ist, die mehrere Untergruppen umfasst, der Schutz, der durch den Nachweis ausgelöst wird, dass die Marke für einen Teil dieser Waren ernsthaft benutzt worden ist, nur der oder den entsprechenden Untergruppen zuteil wird. Nach Ansicht des Gerichts belegt keiner der vom EUIPO berücksichtigten Nachweise die Benutzung der Marke für Bäckereierzeugnisse, feine Backwaren, Kuchen und Waffeln. Demzufolge habe das EUIPO mit der Annahme, dass das in Rede stehende Produkt in jeder beliebigen der betreffenden Warengruppen enthalten sein könne, einen Rechtsfehler begangen.
Das Gericht weist sodann darauf hin, dass eine dreidimensionale Marke Unterscheidungskraft durch Benutzung auch dann erwerben kann, wenn sie in Verbindung mit einer Wortmarke oder einer Bildmarke benutzt wird, und dass der Erwerb von Unterscheidungskraft durch Benutzung voraussetzt, dass das angemeldete Zeichen die Eignung erlangt hat, die betreffende Ware als von einem bestimmten Unternehmen stammend zu kennzeichnen. Das Gericht prüft in der Folge die vom EUIPO berücksichtigten Nachweise wie insbesondere die Marktuntersuchungen im Gebiet von zehn Mitgliedstaaten, das Werbematerial und die Dauer der Markenbenutzung. Es bestätigt, dass es sich um Nachweise handelt, die geeignet sind, darzutun, dass die fragliche dreidimensionale Marke von den maßgeblichen Verkehrskreisen als Hinweis auf die betriebliche Herkunft der betreffenden Waren wahrgenommen wird.
Zum Vorbringen von Mondelez, wonach Nestlé nicht bewiesen habe, dass ihre Marke Unterscheidungskraft durch Benutzung im gesamten Unionsgebiet erlangt habe, führt das Gericht aus, dass der Nachweis der durch Benutzung erlangten Unterscheidungskraft für den Teil der Union erbracht werden müsse, in dem die Marke keine originäre Unterscheidungskraft hatte, das heißt im vorliegenden Fall für die gesamte Union, wie sie zum Zeitpunkt der Anmeldung am 21.3.2002 mit ihren 15 Mitgliedstaaten bestanden habe. Insoweit reiche es nicht aus, nachzuweisen, dass ein erheblicher Teil der maßgeblichen Verkehrskreise in der gesamten Union – alle Mitgliedstaaten und alle Regionen zusammengenommen – eine Marke als Hinweis auf die betriebliche Herkunft der mit ihr bezeichneten Waren wahrnimmt. Im Fall einer Marke, die wie diejenige von Nestlé keine originäre Unterscheidungskraft in der gesamten Union besitze, müsse nämlich der Nachweis der durch Benutzung erworbenen Unterscheidungskraft für alle betroffenen Mitgliedstaaten erbracht werden.
Ungeachtet des Nachweises, dass die streitige Marke in zehn Ländern (Dänemark, Deutschland, Spanien, Frankreich, Italien, Niederlande, Österreich, Finnland, Schweden und Vereinigtes Königreich) Unterscheidungskraft durch Benutzung erlangt hatte, habe das EUIPO seine Prüfung nicht abschließen dürfen, ohne sich zu der Wahrnehmung der Marke durch die maßgeblichen Verkehrskreise unter anderem in Belgien, in Irland, in Griechenland und in Portugal zu äußern und ohne die für diese Mitgliedstaaten erbrachten Nachweise zu untersuchen. Das Gericht gelangt zu dem Ergebnis, dass das EUIPO mit der Annahme, dass es nicht erforderlich sei, die durch Benutzung erlangte Unterscheidungskraft einer Marke für alle betroffenen Mitgliedstaaten nachzuweisen, einen Rechtsfehler begangen hat. Daraus folge, dass das EUIPO eine neue Entscheidung zu treffen und dabei zu prüfen habe, ob die streitige Marke zum Zeitpunkt ihrer Anmeldung Unterscheidungskraft aufgrund der Benutzung durch Nestlé in den 15 betroffenen Mitgliedstaaten für die Waren „Bonbons und Kleingebäck“ erlangt hatte.
EuGH , Urteil vom 15.12.2016 – T-112/13