Coca-Cola kann der Eintragung des Zeichens „Master“ widersprechen, das für die Vermarktung von Getränken und Nahrungsmitteln die gleiche Schrift benutzt wie Coca-Cola. Zwar werde das Zeichen „Master“ nur in Syrien und im Mittleren Osten in ähnlicher Form wie das von Coca-Cola benutzt. Coca-Cola könne aber durch logische Schlussfolgerung die Gefahr wirtschaftlichen Trittbrettfahrens dahingehend belegen, dass es wahrscheinlich ist, dass „Master“ künftig in gleicher Weise in der Europäischen Union benutzt werden soll.
Die syrische Gesellschaft Modern Industrial & Trading Investment (Mitico) beantragte 2010 beim Amt der Europäischen Union für geistiges Eigentum (EUIPO) die Eintragung der Unionsmarke „Master“ für Getränke und Nahrungsmittel. Die Gesellschaft Coca-Cola erhob daraufhin Widerspruch und berief sich unter anderem auf vier Unionsmarken, die sie zuvor für Getränke hatte eintragen lassen. Coca-Cola wirft Mitico insbesondere vor, im Handel und auf der Unternehmenswebsite www.mastercola.com die Marke Master in einer Form zu benutzen, die an die von Coca-Cola erinnert.
Das EUIPO wies den Widerspruch von Coca-Cola mit der Begründung zurück, dass die einander gegenüberstehenden Zeichen nicht ähnlich seien und daher trotz der Identität der betreffenden Waren keine Verwechslungsgefahr bestehe. Das EUIPO wies ferner die von Coca-Cola beigebrachten Beweise zurück, die belegen sollten, dass Mitico die Absicht hatte, die Wertschätzung von Coca-Colas älteren Marken in unlauterer Weise auszunutzen.
Coca-Cola focht die Entscheidung des EUIPO vor dem EuG an. Das Gericht hob diese mit Urteil vom 11.12.2014 auf. Dem Gericht zufolge wiesen die einander gegenüberstehenden Zeichen bildliche Gemeinsamkeiten auf. Diese beträfen nicht nur die „Schlange“, mit der ihre Anfangsbuchstaben „c“ beziehungsweise „m“ in einem Bogen in Signaturform verlängert würden, sondern auch die Tatsache, dass bei beiden eine in der heutigen Geschäftswelt wenig geläufige Schriftart, die Spencer-Schrift, verwendet werde. Die einander gegenüberstehenden Zeichen wiesen einen Ähnlichkeitsgrad auf, der zwar gering sei, aber dennoch ausreiche, damit die maßgebenden Verkehrskreise einen Zusammenhang zwischen dem Zeichen „Master“ und den vier älteren Marken von Coca-Cola herstellten. Daher hätte das EUIPO nach Ansicht des Gerichts prüfen müssen, ob die Benutzung des Zeichens „Master“ die Wertschätzung der älteren Marken von Coca-Cola ohne rechtfertigenden Grund in unlauterer Weise ausnutzen oder beeinträchtigen würde. Schließlich stellte das Gericht fest, dass das EUIPO einen Fehler begangen habe, als es die von Coca-Cola beigebrachten Beweise außer Acht gelassen habe.
Das EUIPO erließ 2015 auf der Grundlage des Urteils des Gerichts aus dem Jahr 2014 eine neue Entscheidung. Der Widerspruch von Coca-Cola wurde erneut zurückgewiesen, da nunmehr die von Coca-Cola beigebrachten Beweise nach Ansicht des EUIPO die Gefahr wirtschaftlichen Trittbrettfahrens nicht belegt hätten. Da Coca-Cola mit dieser neuen Entscheidung des EUIPO nicht zufrieden war, hat das Unternehmen erneut Klage auf Aufhebung beim Gericht erhoben.
Mit dem aktuellen Urteil hat das EuG der Klage von Coca-Cola stattgegeben und die Entscheidung des EUIPO von 2015 aufgehoben. Angesichts der Tatsache, dass das Zeichen „Master“ gegenwärtig nicht im Gebiet der Europäischen Union genutzt wird (da die „Master-Waren“ in Syrien und im Mittleren Osten vermarktet werden), kam das Gericht zu dem Ergebnis, dass das EUIPO die Nachweise für die kommerzielle Nutzung des Zeichens „Master“ außerhalb der EU zu berücksichtigen hatte, um zu bestimmen, ob die Gefahr besteht, dass die künftige Benutzung des Zeichens in der Union die Wertschätzung der vier älteren Marken von Coca-Cola in unlauterer Weise ausnutzen würde. Zur Bestimmung, ob eine solche Gefahr besteht, müsse ein Unternehmen wie Coca-Cola nämlich die Benutzung eines Zeichens außerhalb der EU geltend machen dürfen, um eine logische Schlussfolgerung auf die wahrscheinliche kommerzielle Nutzung dieses Zeichens im Fall der Eintragung im Gebiet der Union zu begründen.
Das EuG stellt in dieser Hinsicht fest, dass aus der Anmeldung einer Unionsmarke an sich logisch geschlussfolgert werden kann, dass ihr Inhaber beabsichtigt, seine Waren oder Dienstleistungen in der Union zu vermarkten. Hier sei es daher logisch vorhersehbar, das Mitico im Fall der Eintragung der angemeldeten Marke beabsichtigt, die Waren des Unternehmens unter der Marke MASTER in der Union zu vermarkten. Das Gericht stellt ferner fest, dass die Art und Weise, in der das Zeichen „Master“ gegenwärtig außerhalb der EU von Mitico benutzt wird, von vornherein den Schluss zulassen kann, dass die nicht nur hypothetische Gefahr einer künftigen unlauteren Ausnutzung in der EU besteht, da Mitico keine konkreten Angaben zu möglichen kommerziellen Absichten in der Union gemacht habe, die von denen in Syrien und im Mittleren Osten abweichen.
Das Gericht kommt zu dem Ergebnis, dass das EUIPO bei der Würdigung der Nachweise für die kommerzielle Nutzung des Zeichens „Master“ außerhalb der Union einen Fehler begangen hat, indem es die logischen Schlussfolgerungen und die Wahrscheinlichkeitsanalysen, die sich daraus hinsichtlich der Gefahr des Trittbrettfahrens in der Union für Coca-Cola ergeben können, nicht berücksichtigt hat.