Der Geschmack eines Lebensmittels kann keinen Urheberrechtsschutz genießen. Er sei mangels Identifizierbarkeit nämlich nicht als „Werk“ einzustufen.
Im Ausgangsverfahren ging es um einen Streichkäse mit Crème fraîche und Kräutern (den sogenannten Heksenkaas), den ein niederländischer Gemüse- und Frischproduktehändler im Jahr 2007 kreiert hatte. Die Rechte des geistigen Eigentums an diesem Erzeugnis hat dieser an die gegenwärtige Rechteinhaberin Levola, eine Gesellschaft niederländischen Rechts, abgetreten. Seit 2014 stellt die Gesellschaft niederländischen Rechts Smilde für eine Supermarktkette in den Niederlanden ein Erzeugnis mit der Bezeichnung „Witte Wievenkaas“ her. Da Levola der Auffassung ist, dass die Herstellung und der Verkauf von „Witte Wievenkaas“ ihr Urheberrecht am Geschmack des „Heksenkaas“ verletze, beantragte sie vor den niederländischen Gerichten, Smilde zur Unterlassung unter anderem der Herstellung und des Verkaufs dieses Erzeugnisses zu verurteilen. Sie trug hierzu vor, dass der Geschmack des „Heksenkaas“ ein urheberrechtlich geschütztes Werk sei und der Geschmack des „Witte Wievenkaas“ eine Vervielfältigung dieses Werks darstelle.
Der in der Berufungsinstanz mit dem Rechtsstreit befasste Gerechtshof Arnhem-Leeuwarden (Berufungsgericht Arnhem-Leeuwarden, Niederlande) wollte vom EuGH wissen, ob der Geschmack eines Lebensmittels Schutz nach der Urheberrechtsrichtlinie genießen kann (Richtlinie 2001/29/EG).
Der EuGH stellt klar, dass der Geschmack eines Lebensmittels nur dann durch das Urheberrecht gemäß der Richtlinie geschützt sein kann, wenn er als „Werk“ im Sinne dieser Richtlinie einzustufen ist. Diese Einstufung setze zunächst voraus, dass das betreffende Objekt eine eigene geistige Schöpfung ist. Sie verlange darüber hinaus einen „Ausdruck“ dieser eigenen geistigen Schöpfung. Nach dem Übereinkommen über handelsbezogene Aspekte der Rechte des geistigen Eigentums, das im Rahmen der Welthandelsorganisation angenommen worden und dem die Union beigetreten ist, und nach dem Vertrag der Weltorganisation für geistiges Eigentum über das Urheberrecht, zu dessen Vertragsparteien die Union gehört, erstrecke sich der urheberrechtliche Schutz nicht auf Ideen, Verfahren, Arbeitsweisen oder mathematische Konzepte als solche, sondern auf Ausdrucksformen. Folglich impliziere der Begriff „Werk“, auf den die Richtlinie abzielt, notwendigerweise eine Ausdrucksform des urheberrechtlichen Schutzobjekts, die es mit hinreichender Genauigkeit und Objektivität identifizierbar werden lässt.
In diesem Kontext stellt der Gerichtshof fest, dass es im Fall des Geschmacks eines Lebensmittels an der Möglichkeit einer präzisen und objektiven Identifizierung fehlt. Hierzu führt er weiter aus, dass anders als beispielsweise bei einem literarischen, bildnerischen, filmischen oder musikalischen Werk, das eine präzise und objektive Ausdrucksform darstellt, die Identifizierung des Geschmacks eines Lebensmittels im Wesentlichen auf Geschmacksempfindungen und -erfahrungen beruht, die subjektiv und veränderlich sind. Diese hingen nämlich unter anderem von Faktoren, die mit der Person verbunden sind, die das betreffende Erzeugnis kostet, wie beispielsweise deren Alter, Ernährungsvorlieben und Konsumgewohnheiten, sowie von der Umwelt oder dem Kontext, in dem dieses Erzeugnis gekostet wird, ab. Zudem sei beim gegenwärtigen Stand der Wissenschaft eine genaue und objektive Identifizierung des Geschmacks eines Lebensmittels, die es erlaubt, ihn vom Geschmack anderer gleichartiger Erzeugnisse zu unterscheiden, mit technischen Mitteln nicht möglich. Daher sei der Geschmack eines Lebensmittels nicht als „Werk“ einzustufen und könne daher auch keinen Urheberrechtsschutz gemäß der Richtlinie genießen.