In Zusammenhang mit der „Hitler-Glocke“, die in der Kirche St. Jakob der rheinland-pfälzischen Gemeinde Herxheim am Berg hing, sind keine Straftaten begangen worden. Weder gegen den angezeigten Bürgermeister, noch gegen den evangelischen Pfarrer noch gegen einen angezeigten Bürger der Gemeinde bestehe ein Anfangsverdacht, teilte die Staatsanwaltschaft Frankenthal/Pfalz in einer ausführlichen Erklärung mit. Deswegen sei bezüglich keiner der angezeigten Personen ein Ermittlungsverfahren eingeleitet worden.

Am 12.05.2017 berichtete die Tageszeitung „Die Rheinpfalz“ über eine im Turm der protestantischen Kirche St. Jakob der Gemeinde Herxheim am Berg hängende Glocke aus dem Jahr 1934. Die Glocke trägt die Inschrift „Alles fuer`s Vaterland Adolf Hitler“ und unter diesem Text ein Hakenkreuz. Sie steht im Eigentum der Gemeinde und ist von außen nicht zu sehen. An der nördlichen Seite des Turms befindet sich an einem oberen Eckstein ein eingemeißeltes Hakenkreuz. Auch dieses in dem Zeitungsartikel in Nahaufnahme abgebildete Symbol ist ohne optische Hilfsmittel von außen nicht erkennbar. In der Folgezeit berichteten mehrere – auch überregionale – Zeitungen über diese Glocke, die bis Anfang September 2017 zusammen mit den anderen beiden im Turm hängenden Glocken geläutet wurde, aber inzwischen stillgelegt worden ist.

Das Magazin „Kontraste“ veröffentlichte in einer Sendung vom 31.8.2017 Äußerungen unter anderem des inzwischen zurückgetretenen Bürgermeisters der Gemeinde Herxheim am Berg, des Pfarrers der dortigen evangelischen Kirchengemeinde und eines Bürgers, bei dem es sich nach Angaben der Moderatorin um ein früheres Gemeinderatsmitglied handelt. In der ausgestrahlten Diskussion über die Glocke soll sich der ehemalige Bürgermeister über die Glocke wie folgt geäußert haben: „Es ist die einzige hier in Rheinland-Pfalz, ich glaube, drei Stück gibt es in der ganzen Bundesrepublik, die diese Aufschrift tragen. Von daher kann man da nur stolz sein.“ Auf die Frage der Moderatorin „Also Sie sind stolz, dass Sie hier eine Hitler-Glocke hängen haben?“ soll er geantwortet haben: „Ich würde sagen, wir sind stolz, heute eine Glocke mit solcher Inschrift zu haben. Diese Glocke jetzt als Hitler-Glocke zu bezeichnen, das ist immer so negativ.“ Schließlich soll er gesagt haben: „Wenn man den Namen Adolf Hitler nennt, dann ist immer gleich die Judenverfolgung und die Kriegszeiten als erstes oben auf. Wenn man über solche Sachen berichtet, soll man umfangreich berichten. Dass man sagt, das waren die Gräueltaten und das waren auch Sachen, die er in die Wege geleitet hat und die wir heute noch benutzen.“

Der Pfarrer soll auf die Frage, warum die Glocke weiter läute, seinerseits gefragt haben: „Warum sollten wir sie jetzt abstellen?“ Auf die Antwort der Moderatorin „Weil sie vielleicht für manche Menschen so ein bisschen wie die Stimme Adolf Hitlers rüberkommt?“ soll er geäußert haben: „Ja, was rüberkommt, ist ein zweigestrichenes C.“

In seiner Strafanzeige vom 27.8.2017 sieht der Anzeigeerstatter hinsichtlich des angezeigten Bürgermeisters „wegen Vorrätighaltens und Nutzens einer Nazi-Hakenkreuz-Glocke mit verfassungsrechtlich verbotenem Symbol“ die Tatbestände des Verbreitens von Propagandamitteln verfassungswidriger Organisationen (§ 86 StGB), des Verwendens von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen (§ 86a StGB), der Volksverhetzung (§ 130 StGB) und der Rechtsbeugung (§ 339 StGB) als erfüllt an. Mit Schreiben vom 10.9.2017 erweiterte der Anzeigeerstatter seine Strafanzeige auf den Pfarrer und einen interviewten Bürger. Bezüglich des Pfarrers sieht er durch das Verwenden der Glocke ebenfalls die §§ 86, 86a StGB und bezüglich des namentlich genannten Bürgers darüber hinaus die „§§ 130 ff StGB“ als erfüllt an.

Entgegen der Ansicht des Anzeigeerstatters bestehe hinsichtlich keiner der angezeigten Personen ein Anfangsverdacht einer Straftat, betont die Staatsanwaltschaft Frankenthal. Das Hängenlassen und Läuten der Glocke erfülle nicht den Tatbestand des Verbreitens von Propagandamitteln verfassungswidriger Organisationen (§ 86 StGB). Zwar sei das Hakenkreuz ein Propagandamittel einer ehemaligen nationalsozialistischen Organisation. Jedoch seien Propagandamittel im Sinne des § 86 StGB gemäß dessen Abs. 2 nur solche Schriften (wozu nach § 11 Abs. 3 StGB auch Abbildungen und andere Darstellungen zählten), deren Inhalt gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung oder den Gedanken der Völkerverständigung gerichtet ist. Vorkonstitutionelle Schriften, die sich gegen diese Grundwerte richten, fielen jedoch nicht unter § 86 StGB, da sie sich nicht gegen die Verwirklichung dieser Grundwerte in der Bundesrepublik Deutschland wenden.

Da die Glocke im Jahre 1934 und damit unter der Herrschaft des Nationalsozialismus gegossen worden ist und seitdem im Turm der Herxheimer Jakobskirche hängt, sei das auf ihr befindliche Hakenkreuz bereits kein Propagandamittel im Sinne des § 86 StGB. Aber selbst wenn dies der Fall wäre, fehlte es an einer tatbestandlichen Handlung: Nach § 86 StGB mache sich strafbar, wer derartige Propagandamittel im Inland verbreitet oder zur Verbreitung im Inland oder Ausland herstellt, vorrätig hält, einführt oder ausführt oder in Datenspeichern öffentlich zugänglich macht. Dies sei ersichtlich bei keinem der Angezeigten der Fall.

Auch der Tatbestand des Verwendens von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen (§ 86a StGB) sei nicht erfüllt. In Betracht komme allenfalls Abs. 1 Nr. 1 dieser Vorschrift. Dann müsste zumindest eine der angezeigten Personen das Hakenkreuz auf der Glocke verbreitet oder öffentlich, in einer Versammlung oder in von ihr verbreiteten Schriften verwendet haben. Da keine der Personen das Kennzeichen verbreitet hat (eine solche Verbreitung erfolgte erst durch die gemäß § 86a Abs. 3 StGB in Verbindung mit § 86 Abs. 3 StGB straflose Berichterstattung in der Presse), verbleibe nur eine öffentliche Verwendung. Eine solche liege vor, wenn der Symbolgehalt des Kennzeichens von einer nicht überschaubaren Anzahl von Personen zur Kenntnis genommen werden kann.

Entscheidend sei dabei nicht die Öffentlichkeit des Verwendungsorts an sich, sondern die vom Täter nicht überschaubare kommunikative Wirkung der Verwendung. Dies sei vorliegend nicht der Fall, da das auf der Glocke befindliche Hakenkreuz von außen nicht zu sehen sei. Dies gelte auch für das oben am Turm eingemeißelte Hakenkreuz. Soweit die Glocke bis vor kurzem verwendet wurde, handele es sich dabei nicht um einen Gebrauch, der das Kennzeichen für eine nicht überschaubare Anzahl von Personen wahrnehmbar machte. Der Glockenton selbst sei anders als zum Beispiel das Horst-Wessel-Lied kein Kennzeichen im Sinne dieses Straftatbestandes.

Schließlich bestehe auch bezüglich keiner angezeigten Person der Anfangsverdacht einer Volksverhetzung gemäß § 130 StGB. Die in der Sendung des Magazins „Kontraste“ wiedergegebenen Äußerungen stellten weder eine Billigung, Leugnung oder Verharmlosung eines unter der Herrschaft des Nationalsozialismus begangenen Verbrechens nach dem Völkerstrafgesetzbuch noch eine Billigung, Verherrlichung oder Rechtfertigung der nationalsozialistischen Gewalt- und Willkürherrschaft selbst dar.

Soweit der ehemalige Bürgermeister ausführt, stolz zu sein, eine Glocke mit solcher Inschrift zu haben, konkretisiere er diese Aussage dahin, dass es seines Wissens nach in Deutschland nur drei derartige Glocken gibt und er von daher stolz sei. Er gründe diesen Stolz also auf den Umstand, dass es sich bei der Glocke um eine Rarität handelt. Auch seine Forderung, man solle auch erwähnen, dass Hitler Sachen in die Wege geleitet habe, „die wir heute noch benutzen“, gründe auf Tatsachen. Der Angezeigte leugne oder verharmlose mit dieser Aussage keines der unter Hitlers Herrschaft begangenen Verbrechen und billige, verherrliche oder rechtfertige auch nicht dessen Herrschaft an sich.

Der angezeigte Pfarrer stelle die Frage, warum die Glocke abgestellt werden solle, und weise auf ihren Ton, das zweigestrichene C, hin. Diese Äußerung sei offensichtlich ohne jede strafrechtliche Relevanz.

Soweit ein angezeigter Bürger geäußert haben soll, „es war nicht alles schlecht gewesen, was Adolf Hitler gemacht hat“, und in diesem Zusammenhang auf Autobahnen und Vollbeschäftigung hingewiesen haben soll, komme allenfalls eine Billigung, Verherrlichung oder Rechtfertigung im Sinne des § 130 StGB in Betracht. Jedoch setze diese Tathandlung eine Äußerung voraus, die sich inhaltlich auf die nationalsozialistische Gewalt- und Willkürherrschaft bezieht. Abwegiges Geschwätz über Heldentaten von Wehrmacht und Waffen-SS, bewundernde Äußerungen über Reichsarbeitsdienst oder Autobahnbau oder über NS-Führer in Wirtschaft, Kultur, Rechts- oder Gesundheitswesen seien auch dann nicht strafbar, wenn sie für die Bundesrepublik peinlich sind“.

Der Tatbestand der Rechtsbeugung gemäß § 339 StGB sei ersichtlich nicht erfüllt, da sich der angezeigte ehemalige Bürgermeister im Zusammenhang mit der Glocke nicht „bei der Leitung oder Entscheidung einer Rechtssache zugunsten oder zum Nachteil einer Partei einer Beugung des Rechts schuldig“ gemacht hat.

 

Quelle: Redaktion beck-aktuell