Die Abgabe von Brötchengutscheinen im Zusammenhang mit dem Verkauf preisgebundener Arzneimittel ist rechtswidrig. Dies hat das Oberlandesgericht Frankfurt am Main mit Urteil vom 2.11.2017 entschieden. Die im Zusammenhang mit dem Verkauf von Arzneimitteln geltenden Beschränkungen seien durch hinreichende Gründe des Gemeinwohls gerechtfertigt, betonte das Gericht. Die Bestimmungen zur Arzneimittelpreisbindung könnten allerdings unter dem Gesichtspunkt der sogenannten Inländerdiskriminierung zukünftig rechtlich fragwürdig werden. Im Hinblick darauf hat das OLG die Revision zugelassen.
Die Klägerin ist ein gewerblicher Interessenverband. Die Beklagte betreibt eine Apotheke in Darmstadt. Sie gab ihren Kunden beim Erwerb rezeptpflichtiger, preisgebundener Arzneimittel ungefragt einen „Brötchen-Gutschein“ über „zwei Wasserweck oder ein Ofenkrusti“ mit. Der Gutschein konnte bei einer in der Nähe liegenden Bäckerei eingelöst werden. Die Klägerin wertet die Gutscheinabgabe als Verstoß gegen die Arzneimittelpreisbindung. Das Landgericht hatte die Beklagte daraufhin verpflichtet, die Abgabe von Brötchengutscheinen im Zusammenhang mit dem Verkauf rezeptpflichtiger, preisgebundener Arzneimittel zu unterlassen.
Die hiergegen gerichtete Berufung der Beklagten hatte keinen Erfolg. Grundsätzlich gelte für verschreibungspflichtige Arzneimittel ein einheitlicher Apothekenabgabepreis, führt das OLG aus. Sinn dieser Vorschrift sei es, den Preiswettbewerb unter den Apotheken zu regeln. Hiergegen verstoße ein Apotheker, der preisgebundene Arzneimittel zwar zum korrekten Preis, aber gekoppelt mit einem weiteren wirtschaftlichen Vorteil – etwa in Form eines Gutscheins – abgebe. Nach der Lebenserfahrung könnten – gerade wenn der Abgabepreis in allen Apotheken identisch ist – auch Zuwendungen von geringem Wert den Kunden veranlassen, bei nächster Gelegenheit ein preisgebundenes Arzneimittel in der Hoffnung auf weitere Vergünstigungen wieder in der gleichen Apotheke zu erwerben, betonte das OLG.
Auf die Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes zur Unvereinbarkeit der deutschen Arzneimittelpreisbindung mit dem Unionsrecht komme es hier nicht an, so das OLG weiter. Die Beklagte betreibe eine stationäre Apotheke, sodass die Warenverkehrsfreiheit nicht betroffen sei. Die Arzneimittelpreisbindung sei schließlich gegenwärtig auch verfassungsrechtlich unbedenklich. Sie beinhalte zwar einen Eingriff in die Freiheit der Berufsausübung der Apotheker. Diese Beschränkung sei jedoch durch „hinreichende Gründe des Gemeinwohls gerechtfertigt“. Apotheken sollten sich „in unattraktiven Lagen (…) keinen ruinösen Preiskampf liefern“. Zudem solle „im öffentlichen Interesse die gebotene flächendeckende und gleichmäßige Versorgung der Bevölkerung mit Arzneimitteln sichergestellt werden“. Schließlich diene die Preisbindung dazu, das finanzielle Gleichgewicht im System der gesetzlichen Krankenversicherung abzusichern.
Das OLG wies jedoch auch darauf hin, dass die Regelungen zur Arzneimittelpreisbindung unter dem Gesichtspunkt der sogenannten Inländerdiskriminierung verfassungsrechtlich zukünftig fragwürdig werden könnten. Nach der Rechtsprechung des EuGH könnten ausländische Versandhandelsapotheken seit gut einem Jahr rezeptpflichtige Arzneimittel im Inland ohne Rücksicht auf die deutsche Preisbindung verkaufen. Sollte ihr Marktanteil sich zukünftig so erhöhen, dass inländische Präsenzapotheken dadurch ernsthaft in ihrer Existenz bedroht würden, könnten die Vorschriften zur Arzneimittelpreisbindung nach Einschätzung des OLG fragwürdig werden. Hierfür lägen jedoch derzeit angesichts eines Umsatzanteils der ausländischen Versandapotheken an rezeptpflichtigen Arzneimitteln von etwa 0,6% keine Anhaltspunkte vor.
OLG Frankfurt a. M., Urteil v. 2.11.2017 – 6 U 164/16