Wird die Anomalie eines Magens fehlerhaft operiert, kann das für die erste Operation verantwortliche Krankenhaus auch für die Folgen einzustehen haben, die die Patientin durch eine grob behandlungsfehlerhaft durchgeführte Revisionsoperation erleidet. Entgegen der Auffassung des Landgerichts Bochum hat der 26. Zivilsenat des OLG Hamm die Ansicht vertreten, dass die fehlerhafte Revisionsoperation im Juni 2009 den rechtlichen Zurechnungszusammenhang zwischen dem ersten Behandlungsfehler und den weiteren Schadensfolgen nicht unterbrochen hat.
Die im Jahr 1962 geborene Patientin aus Recklinghausen litt an erheblichen Magenbeschwerden, begründet durch eine Magenanomalie (Upside-Down-Stomach in Form einer großen Fornixkaskade). Diese ließ sie im April 2009 im beklagten Krankenhaus in Recklinghausen operieren. Bei der Operation wurden die Nähte fehlerhaft so gesetzt, dass es erneut zum Abkippen und einer Verdrehung des Magens kam. Die deswegen notwendige Revisionsoperation wurde im Juni 2009 in einer Klinik in Herne durchgeführt.
Bei dieser Operation löste der Operateur die bei der ersten Operation fehlerhaft fixierten Nähte, versäumte es aber, den Magen der Klägerin nunmehr korrekt zu befestigen. Die deswegen weiterhin bestehende Abkippung des Magens blieb im Anschluss längere Zeit unbehandelt und löste bei der Klägerin eine Magenblähung aus. Diese machte schließlich eine Magenteilresektion notwendig, in deren Folge es zu einer Magentransportschädigung kam. Zudem stellten sich Wundheilungsstörungen ein. Aufgrund dieser Folgen wurde die Klägerin bis zum Jahr 2013 wiederholt stationär behandelt und mehrfach operiert.
Vom beklagten Recklinghausener Krankenhaus begehrt die Klägerin 70.000 Euro Schmerzensgeld sowie einen mit 2.600 Euro pro Monat für die Zeit ab der ersten Operation berechneten Haushaltsführungsschaden. Sie argumentiert, dass das beklagte Krankenhaus auch für die fehlerhafte Revisionsoperation und die weiteren Komplikationen einzustehen habe, die alle eine Folge der fehlerhaft durchgeführten ersten Operation seien. Das Landgericht hatte der Klägerin 8.000 Euro Schmerzensgeld und einen für drei Monate berechneten Haushaltsführungsschaden in Höhe von 4.680 Euro zugesprochen. Dies insbesondere mit der Begründung, die fehlerhafte Revisionsoperation habe den Kausalzusammenhang unterbrochen, so dass das beklagte Krankenhaus nicht mehr für die Schäden hafte, die nach dieser Operation eingetreten seien.
Die Berufung der Klägerin gegen das landgerichtliche Urteil war überwiegend erfolgreich. Mit Hinweis auf die Ausführungen des medizinischen Sachverständigen hat das Oberlandesgericht Hamm der Klägerin 70.000 Euro Schmerzensgeld sowie einen – bis Ende des Jahres 2013 – mit 30.160 Euro berechneten Haushaltsführungsschaden und für die Folgezeit Haushaltsführungskosten von monatlich 156 Euro zugesprochen. Für den zwischen den Parteien nicht mehr umstrittenen Behandlungsfehler bei der ersten Operation schulde das beklagte Krankenhaus der Klägerin Schmerzensgeld und materiellen Schadensersatz. Dabei sei die fehlerhafte Fixierung des Magens als einfacher Behandlungsfehler einzustufen.
Allerdings hafte das beklagte Krankenhaus auch für die weiteren Schadensfolgen, die auf diesen Behandlungsfehler zurückzuführen seien. Entgegen der Auffassung des Landgerichts habe nämlich die fehlerhafte Revisionsoperation im Juni 2009 den rechtlichen Zurechnungszusammenhang zwischen dem ersten Behandlungsfehler und den weiteren Schadensfolgen nicht unterbrochen. Zwar sei es bei der Revisionsoperation grob behandlungsfehlerhaft versäumt worden, den Magen der Klägerin korrekt aufzuhängen. Die Revisionsoperation sei aber aufgrund der behandlungsfehlerhaften Erstoperation notwendig gewesen. In einem solchen Fall habe der erstbehandelnde Arzt haftungsrechtlich für den weiteren Eingriff und die mit ihm verbundenen Folgen einzustehen. Das gelte grundsätzlich auch, wenn der weitere Eingriff behandlungsfehlerhaft erfolge.
Eine Ausnahme sei in derartigen Fällen nur dann zu machen, wenn der die Zweitschädigung herbeiführende Arzt in außergewöhnlich hohem Maß die an ein gewissenhaftes ärztliches Verhalten zu stellenden Anforderungen außer Acht lasse und derart gegen alle ärztlichen Regeln und Erfahrungen verstoße, dass der nach seiner Zweitbehandlung eingetretene Schaden im Rahmen einer haftungsrechtlichen Bewertung allein seinem Handeln zuzuordnen sei. Daher lasse nur ein besonders grober Behandlungsfehler den Zurechnungszusammenhang zu einem früheren Behandlungsfehler entfallen. Ein solcher besonders grober Behandlungsfehler war laut OLG dem Operateur der Revisionsoperation nicht unterlaufen. Der Senat folge insoweit der Einschätzung des medizinischen Sachverständigen. Der Fehler bei der Revisionsoperation sei zwar als schwerwiegend, aber noch nicht völlig ungewöhnlich und unsachgemäß einzustufen.
Bei der Bemessung des Schmerzensgeldes hat das OLG den besonders langwierigen und komplikationsträchtigen Krankheitsverlauf der Klägerin berücksichtigt. Von Mai 2009 bis Ende 2013 habe sich die Klägerin vielfachen ärztlichen Behandlungen und Operationen mit stationären Aufenthalten unterziehen müssen. Sie sei nach wie vor erheblich beeinträchtigt und werde ihr gesamtes weiteres Leben lang abdominellen Belastungsschmerzen ausgesetzt sein. In ihrer Haushaltsführung bezog sich das Gericht weitgehend auf das eingeholte Sachverständigengutachten, wonach die Klägerin bis Ende des Jahres 2013 weitgehend zu einem Drittel und in der Folgezeit noch zu 10 Prozent beeinträchtigt sei. Hiernach bemesse sich der zugesprochene Haushaltsführungsschaden.
OLG Hamm , Urteil vom 15.11.2016 – 26 U 37/14