Das Oberlandesgericht Koblenz hat mit Urteil vom 23.8.2018 entschieden, dass die Mainzer Wasserpreise für Endverbraucher in den Jahren 2010 bis 2012 zu hoch waren, und einem Rechtsanwalt einen Anspruch auf Rückzahlung eines Teils der von ihm gezahlten Entgelte zuerkannt.
Der Kläger, ein Rechtsanwalt, bezog für sein Anwesen in einem Mainzer Stadtteil Trinkwasser von dem zuständigen Mainzer Wasserversorgungsunternehmen. Bis zum 31.10.2011 war dies die Beklagte zu 2., ab dem 1.11.2011 die Beklagte zu 1. Das Bundeskartellamt (BKartA) hatte bereits im Jahr 2003 die Mainzer Wasserpreise auf der Grundlage des GWB im Hinblick auf eine missbräuchliche Preisüberhöhung überprüft. Die damals zuständige Beklagte zu 2. hatte daraufhin den Wassergrundpreis gesenkt und mit dem Bundeskartellamt eine Vereinbarung zur Einhaltung von Preisstabilität bis zum 31.12.2009 getroffen. Die Wasserpreise blieben auch in den Folgejahren ab 2010 unverändert.
Ende 2011 leitete das BKartA im Hinblick auf zwischenzeitlich ergangene Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs erneut ein Missbrauchsverfahren wegen überhöhter Wasserpreise ein. Der Verdacht überhöhter Wasserpreise für die Zeit nach dem 1.1.2010 ergab sich aus Ermittlungsergebnissen in einem Wasserpreisverfahren gegen die Berliner Wasserbetriebe. In diesem Rahmen hatte das Bundeskartellamt Datenmaterial zu den 38 größten deutschen Städten (alle mit über 200.000 Einwohnern) gewonnen. Die Wasserpreise in Mainz waren nicht Gegenstand dieser Überprüfung, weil die Stadt Mainz im Größenvergleich erst an 39. Stelle liegt. Die abgabenbereinigten Nettopreise im Bereich der Stadt Mainz lagen nach den Ermittlungen des Bundeskartellamts erheblich über dem Durchschnitt der Wasserpreise (Erlöse) in den 38 größten Städten Deutschlands sowie noch deutlicher über dem Durchschnitt aller westdeutschen Städte (ohne Berlin) mit mehr als 200.000 Einwohnern.
Im Ergebnis verpflichtete sich die Beklagte zu 1. gegenüber dem Bundeskartellamt, ihre Preise mit Wirkung zum 1.1.2013 befristet bis zum 31.12.2019 um etwa 15% bezogen auf den abgabenbereinigten Durchschnittserlös aus dem Jahr 2010 zu senken. Im Hinblick auf diese Verpflichtungszusage stellte das BKartA das Preismissbrauchsverfahren ein, ohne weitergehende Ermittlungen betreffend die Berechtigung der Mainzer Wasserpreise angestellt zu haben.
Der Kläger verlangte im Weg des Schadensersatzes von den Beklagten – zeitlich gestaffelt nach ihrer Zuständigkeit für die Wasserversorgung – die Rückzahlung seiner Ansicht nach zu viel gezahlter Rechnungsbeträge für die Zeit vom 1.1.2011 bis zum 31.12.2012. Als bezifferten Mindestschaden machte er einen Betrag von 127,76 Euro geltend. Allerdings hielt er einen weitergehenden Schadensersatzanspruch für gerechtfertigt. Daneben nahm der Kläger ein nach seiner Auffassung für die Preisgestaltung verantwortliches Vorstandsmitglied der Beklagten zu 2. in Anspruch. Darüber hinaus forderte er im Weg der Stufenklage von der Beklagten zu 2. zunächst Auskunft darüber, welche Mengen an Trinkwasser ihm in der Zeit vom 1.1.2005 bis zum 31.12.2010 geliefert und welche Rechnungen hierfür gestellt wurden, weil er über diese Rechnungen nicht mehr verfüge. Den Auskunftsantrag stellte der Kläger im Hinblick auf einen möglichen weitergehenden Schadensersatzanspruch für die Jahre 2005 bis 2010. Der Kläger stützte sich zum einen auf die vorgenannte Abweichung von dem vom BKartA ermittelten Durchschnittspreis. Zum anderen benannte er mehrere einzelne, nach seiner Auffassung mit dem Mainzer Versorgungsgebiet vergleichbare Städte, deren Preise ebenfalls deutlich niedriger lägen, ohne dass hierfür ein sachlicher Grund gegeben sei. Die Beklagten meinten, dass die Mainzer Wasserpreise nicht missbräuchlich überhöht gewesen seien.
Das Landgericht wies in der ersten Instanz die Klage mit der Begründung ab, dass der Kläger eine missbräuchliche Preisgestaltung nicht hinreichend dargelegt habe. Der vom Bundeskartellamt angestellte Preisvergleich sei keine hinreichende Grundlage für die Feststellung eines überhöhten Preises. Hinsichtlich der von ihm konkret benannten Wasserversorgungsunternehmen habe der Kläger eine Vergleichbarkeit nicht hinreichend dargetan. Der Kläger ging anschließend in Berufung.
Das OLG hat LG-Urteil teilweise abgeändert und dem Kläger einen Schadensersatz für die Jahre 2011 und 2012 in Höhe von insgesamt 99,33 Euro nebst Zinsen zugesprochen. Darüber hinaus müsse die Beklagte zu 2. dem Kläger Auskunft betreffend das Verbrauchsjahr 2010 erteilen. Hinsichtlich der weitergehenden Klage hat das OLG die Berufung zurückgewiesen. Das OLG führt aus, die Beklagten hätten als jeweils einziges Unternehmen der Wasserversorgung im Raum Mainz in der Zeit ihrer jeweiligen Zuständigkeit eine marktbeherrschende Stellung im Sinne des § 19 GWB (in der bis zum 29.6.2013 geltenden, hier noch anzuwendenden Fassung) gehabt. Dem Kläger stehe ein Schadensersatzanspruch gemäß §§ 33 Abs. 3 Satz 1, Abs. 1 Satz 1, 19 Abs. 4 Nr. 2 GWB a. F. zu, weil die Beklagten ihre marktbeherrschende Stellung missbraucht hätten, indem sie Entgelte gefordert hätten, die von denjenigen abgewichen seien, die sich bei wirksamem Wettbewerb mit hoher Wahrscheinlichkeit ergeben hätten. Dies folge aus der Vergleichsmarktbetrachtung anhand des Durchschnitts der abgabenbereinigten Nettopreise der 38 größten Städte Deutschlands. Im Jahr 2010 hätten die Preise in Mainz rund 24% über diesem Durchschnittspreis gelegen. Die Beklagten hätten nicht hinreichend dargelegt, aus welchen Gründen ihre verlangten – höheren – Wasserpreise sachlich gerechtfertigt seien.
Im Hinblick auf bestehende Unsicherheiten bei der Frage der Vergleichbarkeit der Preise der Stadt Mainz mit dem Vergleichspreis, der lediglich einen Durchschnittswert darstellt, sei ein erheblicher Sicherheitszuschlag auf den Vergleichspreis vorgenommen worden, so das OLG weiter. Grundlage der Schadensberechnung sei danach nur die Preissenkung von 15%, zu der sich die Beklagte zu 1. mit Wirkung ab dem Jahr 2013 verpflichtet habe. Auf den sich hieraus ergebenden Schadensbetrag sei ein weiterer Sicherheitsabschlag von 15% vorgenommen worden. Die alternative Vergleichsberechnung des Klägers anhand bestimmter Städte sei dagegen nicht hinreichend aussagekräftig.