Schmerzmedikamente, die nur zur Schmerzbehandlung zugelassen sind, dürfen nicht damit beworben werden, dass dem Medikament beigefügtes Vitamin C das Immunsystem unterstützt. Dies hat das Oberlandesgerichts Stuttgart mit diesem Berufungsurteil entschieden und einen Arzneimittelhersteller zur Unterlassung verurteilt. Denn eine solche Werbung beziehe sich auf ein von der Zulassung nicht umfasstes Anwendungsgebiet. Die Entscheidung hat auch Auswirkung auf Angaben im Lebensmittelbereich.
Die Beklagte stellt Arzneimittel her. Das von ihr beworbene rezeptfreie Arzneimittel besteht aus 600 Milligramm Acetylsalicylsäure und 200 Milligramm Ascorbinsäure (Vitamin C) je Brausetablette. Es ist für die Anwendungsgebiete „leichte bis mäßig starke Schmerzen“ bei „Erkältungskrankheiten“ und „Fieber“ zugelassen. Der Kläger, ein Verband, rügte die Werbeaussage „Eine Extraportion Vitamin C unterstützt das Immunsystem“ und nahm die Beklagte auf Unterlassung in Anspruch. Das Landgericht wies die Klage in erster Instanz ab. Dagegen richtete sich die Berufung des Klägers.
Die Berufung hatte Erfolg. Das OLG hat das erstinstanzliche Urteil abgeändert und die Beklagte zur Unterlassung der Werbeaussage verurteilt. Die streitige Werbeaussage verstoße gegen § 3a UWG in Verbindung mit § 3a HWG. Mit der Werbebotschaft, dass das enthaltene Vitamin C das Immunsystem unterstütze, weise die Beklagte auf ein Anwendungsgebiet hin, für welches das Medikament nicht zugelassen sei. Die angesprochenen Verbraucher verstünden die Aussage als (unzulässige) Benennung eines weiteren Anwendungsgebiets und nicht lediglich als (zulässigen) Hinweis auf weitere Wirkungen des Medikaments. Zwar sei dem Landgericht zuzustimmen, dass ein – schmerzfreier – Verbraucher üblicherweise nicht der Idee verfallen würde, das Medikament der Beklagten zu wählen, wenn er sein (allgemein schwaches) Immunsystem stärken wolle. Jedoch werde ein Verbraucher, der Schmerzen verspüre und zugleich – in anderem Zusammenhang – die ärztliche Empfehlung zur Stärkung seines Immunsystems erhalten habe, möglicherweise zu dem Arzneimittel der Beklagten greifen.
Laut OLG darf im Übrigen auf zusätzliche Wirkungen nur hingewiesen werden, wenn sie sich innerhalb des zugelassenen Anwendungsgebiets entfalteten. Daran fehle es hier. Nach dem Vortrag der Parteien sei davon auszugehen, dass ein solcher Wirkungszusammenhang bei Erkältungskrankheiten nur bei Verbrauchern bestehe, die körperlichen Belastungen ausgesetzt seien. Der Kläger habe unwidersprochen vorgetragen, dass die Beigabe von Vitamin C den Zweck habe, Nebenwirkungen der Acetylsalicylsäure auf die Magenschleimhaut zu vermeiden. Der Beklagten gehe es nach ihrem eigenen Vortrag nicht um die Auslobung einer präventiven oder therapeutischen Wirkung von Vitamin C bei Erkältungen, sondern um die allgemeine Aussage, dass Vitamin C das Immunsystem stützt.
OLG Stuttgart, Urteil v. 8.6.2017 – 2 U 127/16