Wird Fruchtgummi mit Pflanzen- und Fruchtextrakten gefärbt, darf der Hersteller mit dem Hinweis „ohne
künstliche Farbstoffe“ werben.
Ein deutscher Süßwarenhersteller produziert Fruchtgummi, das seine bunten Farben durch Pflanzen- und
Fruchtextrakte erhält. Auf der Packungsrückseite wirbt er mit dem Hinweis „ohne künstliche Farbstoffe“. Ein vom
Land Baden-Württemberg in Auftrag gegebenes Gutachten ergab, die Deklarierung „ohne künstliche Farbstoffe“
sei irreführend, weil eine Differenzierung von künstlichen und nicht künstlichen Farbstoffen vom Gesetzgeber
nicht vorgesehen sei. Das zuständige Amt führte aus, die Bezeichnung „ohne künstliche Farbstoffe“ verstoße
daher gegen die Lebensmittel-Informationsverordnung. Das Land Baden-Württemberg versandte dieses
Gutachten daraufhin unter Benennung von Beschuldigten an die Staatsanwaltschaft.
Im Hinblick darauf erhob der Süßwarenhersteller Klage. Er will die gerichtliche Feststellung erreichen, dass die
Kennzeichnung „ohne künstliche Farbstoffe“ nicht gegen die Lebensmittel-Informationsverordnung verstößt. Das
staatsanwaltliche Ermittlungsverfahren wurde im Hinblick auf diesen Rechtsstreit vorläufig eingestellt, da die
Strafbarkeit von der vom VG zu klärenden Frage abhänge, ob die Bezeichnung „ohne künstliche Farbstoffe“
irreführend sei.
Das VG hat der Klage des Süßwarenherstellers stattgegeben. Es führt aus, die Kennzeichnung des Produkts mit
der Angabe „ohne künstliche Farbstoffe“ verstoße nicht gegen die Lebensmittel-Informationsverordnung. Sie
verletze weder das Irreführungsverbot noch das Verbot der Werbung mit Selbstverständlichkeiten. Die
Kennzeichnung sei nicht irreführend, so das VG weiter. Denn der durchschnittliche Verbraucher werde sie
zutreffend dahingehend verstehen, dass keine chemischen Stoffe eingesetzt wurden, um das bunte Fruchtgummi
zu färben. Es sei nicht entscheidend, dass die zur Färbung des Fruchtgummis verwendeten Pflanzen- und
Fruchtextrakte nach der Lebensmittelzusatzverordnung selbst gar nicht als Farbstoffe gelten und rechtlich nicht
zwischen künstlichen und nicht-künstlichen Farbstoffen unterschieden werde.
Allgemeiner Sprachgebrauch entscheidend
Maßgeblich sei der allgemeine Sprachgebrauch, dem eine solche Unterscheidung nicht fremd sei. So sei der
Begriff der „künstlichen Farbstoffe“ unter anderem Gegenstand von Presseberichterstattung gewesen, nachdem
britische Forscher einen Zusammenhang zwischen Konzentrationsschwierigkeiten bei Kindern und dem Genuss
von Süßigkeiten mit bestimmten Farbstoffen gefunden hätten. Im Übrigen werbe der Hersteller auch nicht mit
Selbstverständlichkeiten. Der Verzicht auf (künstliche) Farbstoffe sei ein besonderes Leistungsmerkmal des
gekennzeichneten Produkts, da nicht alle Süßwaren dieser Art frei von Farbstoffen sein müssten.