Das Verwaltungsgericht Oldenburg hat den Landkreis Oldenburg verpflichtet, einem Hähnchenmastbetreiber eine immissionsschutzrechtliche Genehmigung ohne die Auflage zu erteilen, zur Vorsorge vor zusätzlichen Bioaerosolen eine teure Abluftreinigungsanlage in seinen beiden Ställen einzubauen. Eine relevante Bioaerosol-Zusatzbelastung sei im konkreten Fall bei Beachtung verschiedener Parameter ausgeschlossen.
Der Kläger, ein (ehemaliger) Landwirt, erhielt bereits im Juni 2010 vom Beklagten die begehrte immissionsschutzrechtliche Genehmigung für die Errichtung und den Betrieb von zwei Hähnchenmastställen mit 84.900 Plätzen. Im behördlichen Einvernehmen wurden die Ställe errichtet und werden seitdem betrieben. Aus Gründen der Vorsorge vor zusätzlichen Bioaerosolen (luftgetragene Partikel biologischer Herkunft wie etwa Pilzen, Bakterien, Viren sowie Endotoxinen) für unter anderem ein etwa 250 Meter entfernt liegendes Wohngebäude forderte der Landkreis den Einbau zertifizierter Abluftreinigungsanlagen zur erheblichen Staubreduzierung und zur damit wahrscheinlich auch verbundenen Verminderung zusätzlicher Bioaerosol-Immissionen.
Dabei berief sich der Beklagte auf ein durch Studien und technische Handreichungen belegtes Gesundheitsgefährdungspotenzial, hielt Vorsorgeanordnungen wegen des hohen Schutzgutes bereits bei bloßem Gefahrenverdacht für möglich und die geforderte Abluftreinigungsanlage trotz der hohen Kosten für verhältnismäßig. Der Kläger unterließ den Einbau vorerst und klagte auf Erteilung der Genehmigung ohne die beanstandete Nebenbestimmung.
Das VG hat der Klage (erneut) stattgegeben. Die Nebenbestimmung sei weder zur Gefahrenabwehr noch aus Vorsorgegründen gerechtfertigt und daher unverhältnismäßig. In der Hähnchenmast seien derartige Abluftreinigungsanlagen weder zur Staubreduzierung noch im Hinblick auf eine Verminderung von zusätzlichen Bioaerosolen als Stand der Technik anzusehen. Ein erhebliches Besorgnispotenzial durch zusätzliche Bioaerosole für Vorsorgemaßnahmen über dem Stand der Technik lasse sich jedenfalls hier sicher ausschließen, so dass der geforderte Einbau und Betrieb einer Abluftreinigungsanlage angesichts der hohen Kosten und des noch ungeklärten Nutzens unverhältnismäßig sei.
Wie das VG weiter ausführt, habe es nach erfolgreicher Revision des Landkreises vor dem Bundesverwaltungsgericht ein aufwendiges Sachverständigengutachten unter anderem zu der Frage eingeholt, ob eine relevante Bioaerosol-Zusatzbelastung von Wohngrundstücken, etwa in einer Entfernung von 250 Metern, durch den Betrieb der Hähnchenmastanlage ohne Abluftreinigungsanlage ausgeschlossen werden könne. Der Gutachter sei nachvollziehbar zu dem Ergebnis gelangt, dass dies unter Beachtung verschiedener Parameter der Fall sei. Bei der im streitigen Fall möglichen Gewährleistung einer sogenannten Abluftfahnenüberhöhung (kontinuierliche Abluftgeschwindigkeit der Stallluft von mindestens 7 m/s), einer Nachtabsenkung (6 Stunden pro Tag) auf 10% der Tagesemissionen und einer realistischen Korngrößenverteilung der Stäube, an denen die Bioaerosole anhafteten, falle das verbleibende Besorgnispotenzial für die angrenzende Wohnbebauung sehr gering aus. Denn für den maßgeblichen Leitparameter (Staphylokokken) liege der dort ermittelte Wert weit unterhalb des aus einschlägigen technischen Handreichungen abzuleitenden Betrachtungswertes.
VG Oldenburg, Urteil v. 27.9.2017 – 5 A 3664/15