Der Verwaltungsgerichtshof Mannheim hat die in der baden-württembergischen „Corona-Verordnung Schlachtbetriebe und Fleischverarbeitung“ für große Betriebe geregelte Pflicht,
alle Mitarbeiter zweimal pro Woche zu testen, ab dem 10.8.2020 vorläufig außer Vollzug
gesetzt. Die starre Pflicht zur Testung zweimal pro Woche sei unverhältnismäßig. Im Einzelfall
müssten Ausnahmen möglich sein.
Die baden-württembergische Corona-Verordnung Schlachtbetriebe und Fleischverarbeitung
bestimmt, dass in Betrieben, deren Betriebsstätte im Schlacht- und Zerlegebereich über mehr
als 100 Beschäftigte verfügt, alle Beschäftigten zweimal wöchentlich einer Testung auf den
Coronavirus zu unterziehen sind (§ 4 Abs. 2) und dass die Organisation und Finanzierung
dieser Testungen dem Betriebsinhaber obliegt (§ 4 Abs. 3). Hiergegen wandte sich ein im
Regierungsbezirk Tübingen gelegener Schlachtbetrieb mit einem Eilantrag nach § 47 Abs. 6
VwGO.
Der Eilantrag hatte teilweise Erfolg. Der VGH hat die Pflicht, alle Beschäftigten zweimal
wöchentlich zu testen, ab dem 10.8.2020 vorläufig außer Vollzug gesetzt. Im Übrigen lehnte er
den Antrag ab. Nach dem Infektionsschutzgesetz des Bundes könne das Land durch
Rechtsverordnung die notwendigen Schutzmaßnahmen zur Verhinderung der Verbreitung
des Coronavirus treffen. Die Argumentation der Antragstellerin, die vorgeschriebenen
Reihentestungen könnten schon begrifflich keine „Schutzmaßnahmen“ im Sinne des
Infektionsschutzgesetzes sein, da es um Beschäftigte gehe, die keine Krankheitssymptome
haben, treffe nicht zu. Denn Reihentestungen könnten dazu beitragen, in einer Gruppe von
asymptomatischen Menschen Infektionen mit dem Coronavirus frühzeitig zu erkennen, und
diese Personen bei Bedarf zu isolieren, um so die andernfalls drohende Weiterverbreitung des
Virus zu verhindern.
Reihentestungen seien auch ein geeignetes Mittel. Zwar rate das Robert Koch Institut (RKI)
von einer ungezielten Testung asymptomatischer Personen ab, insbesondere weil ein
negatives Ergebnis, das lediglich eine Momentaufnahme darstelle, von unklarer Aussagekraft
sei, und weil ein trügerisches Sicherheitsgefühl geschaffen werde. Allerdings weise das RKI
auch darauf hin, dass es abweichend von dieser Regel in bestimmten Situationen sinnvoll sein
könne, Personen ohne erkennbare Symptome zu testen.
Das gelte vor allem für Einrichtungen mit besonderen Infektionsgefahren, weil viele, unter
Umständen auch sehr vulnerable Personen dort regelmäßig zusammenkämen, vor Ort
erhöhten Infektionsgefahren ausgesetzt seien und ein einzelner Infektionsherd deshalb in
kurzer Zeit zu einer sehr schnellen, umfassenden und nicht mehr nachvollziehbaren
Weiterverbreitung des Virus führen könne. Zu solchen Einrichtungen zählten Schlachtbetriebe
aufgrund der Zahl der dort tätigen Personen, der aus lebensmittelhygienischen Gründen
gebotenen Absenkung der Temperatur in den Betriebsstätten, der Schwere der körperlichen
Arbeit, die zu einem erhöhten Aerosolausstoß führe, der hohen Fluktuation der vielfach durch
Subunternehmer gestellten Mitarbeiter sowie teilweise zusätzlich deren Unterbringung in
Sammelunterkünften.
Der VGH beanstandet aber, dass die starre und einzelfallunabhängige Pflicht zur Testung
zweimal pro Woche zu weitgehend sei. Denn ein die Betriebe weniger belastendes, aber
ebenso geeignetes Mittel dürfte eine Vorschrift sein, die Reihentestungen grundsätzlich
vorschreibe, den betroffenen Betreibern aber die Möglichkeit eröffne, bei der zuständigen
Behörde Ausnahmen von dieser Vorgabe für ihren Einzelfall zu beantragen. Denn es sei
möglich, dass Betrieben der Nachweis gelinge, dass in ihrem Einzelfall ein spezifisches
Hygienekonzept vorliege und tatsächlich umgesetzt werde, das es erlaube, auf eine
anlasslose zweimal wöchentliche Testung von sämtlichen Beschäftigten teilweise zu
verzichten.
Denkbar sei es beispielsweise, dass in einem Betrieb aufgrund eines Hygienekonzepts – das
freilich selbst ein Mindestmaß an anlasslosen Testungen in den besonders gefährdeten
Betriebsbereichen und beispielsweise für Urlaubsrückkehrer werde vorsehen müssen – und
angesichts der individuellen baulichen und sonstigen Bedingungen sichergestellt sei, dass
bestimmte Mitarbeiter etwa aus dem Verwaltungsbereich tatsächlich keinen Kontakt zu
Beschäftigten aus den besonders infektionsgefährdeten Betriebsstätten hätten.
Nicht zu beanstanden sei hingegen, dass der Betrieb die Organisation und Finanzierung der
Testungen leisten müsse. Denn Kosten von Schutzmaßnahmen nach § 28
Infektionsschutzgesetz müsse grundsätzlich derjenige tragen, der zu den Schutzmaßnahmen
verpflichtet werde.