Ein Landwirt ist nach dem Arbeitnehmerentsendegesetz (AEntG) nicht verpflichtet, die Arbeitszeiten seines Arbeitnehmers aufzuzeichnen. Dies hat das Oberlandesgericht Hamm mit Beschluss vom 18.10.2016 entschieden und einen Freispruch in einem Bußgeldverfahren bestätigt.

Der Betroffene ist Inhaber eines landwirtschaftlichen Betriebes. In diesem beschäftigt er einen Arbeitnehmer. Dessen Arbeitsvertrag legt die Arbeitszeit und das monatliche Bruttogehalt fest. Der Arbeitsvertrag unterfällt einem durch Rechtsverordnung für allgemein verbindlich erklärten Tarifvertrag, der Mindestentgelte für Arbeitnehmer im Bereich der Land- und Forstwirtschaft sowie im Gartenbau regelt.

Aufgrund einer Selbstanzeige des Betroffenen erließ das Hauptzollamt Bielefeld als Bußgeldbehörde gegen den Betroffenen wegen vorsätzlichen Verstoßes gegen das AEntG einen Bußgeldbescheid und verhängte ein Bußgeld in Höhe von 1.000 Euro. Dem Betroffenen wurde zur Last gelegt, als Inhaber eines landwirtschaftlichen Betriebes ab dem 1.1.2015 keine Aufzeichnungen über Beginn, Ende und Dauer der täglichen Arbeitszeit des bei ihm beschäftigten Arbeitnehmers geführt zu haben. Dabei vertrat die Bußgeldbehörde die Auffassung, der Betrieb des Betroffenen unterliege dem Geltungsbereich des AEntG, der Betroffene sei zu den in Frage stehenden Aufzeichnungen verpflichtet. Auf den Einspruch des Betroffenen sprach das Amtsgericht Bielefeld den Betroffenen von dem erhobenen Vorwurf frei.

Die gegen die erstinstanzliche Entscheidung von der Staatsanwaltschaft Bielefeld erhobene Rechtsbeschwerde blieb nun ohne Erfolg. Der Betroffene habe sich nicht ordnungswidrig verhalten, weil er die Arbeitszeiten seines Arbeitsnehmers seit dem 1.1.2015 nicht aufzuzeichnen musste. Die in Betracht kommende Bußgeldvorschrift des § 23 Abs. 1 Nr. 8 AEntG in Verbindung mit § 19 Abs. 1 Satz 1 oder 2 AEntG sei auf den vorliegenden Fall nicht anzuwenden.

Die Aufzeichnungspflicht des § 19 Abs. 1 AEntG bestehe, soweit auf das Arbeitsverhältnis Rechtsnormen eines für allgemeinverbindlich erklärten Tarifvertrages oder einer entsprechenden Rechtsverordnung über die Zahlung von Mindestentgelt, die Einziehung von Sozialkassenbeiträgen oder über Urlaubsansprüche anzuwenden seien. Dies sei vorliegend zwar der Fall. Allerdings sei der Anwendungsbereich des § 19 Abs. 1 AEntG beschränkt, so das OLG. Die Regelung gelte nur für die in § 4 Abs. 1 Nr. 1 AEntG ausdrücklich bezeichneten Branchen des Bauhaupt- und des Baunebengewerbes. Den Bereich der Landwirtschaft führe das Gesetz in diesem Zusammenhang nicht auf, so dass es nach seinem Wortlaut keine Aufzeichnungspflicht für den Betrieb des Betroffenen begründe.

Eine analoge Anwendung der Bußgeldvorschrift des AEntG auf die vom Gesetzeswortlaut nicht erfasste Landwirtschaftsbranche komme nicht in Betracht. Eine Analogie, also die Anwendung einer Bußgeldvorschrift über ihren Inhalt hinaus auf einen von der Vorschrift nicht erfassten, nur ähnlichen Lebenssachverhalt sei zu Ungunsten eines Betroffenen nicht zulässig.

Laut OLG ergibt sich ein dem Betroffenen anzulastender ordnungswidriger Verstoß im vorliegenden Fall auch nicht aus dem Mindestlohngesetz, dem Arbeitnehmerüberlassungsgesetz oder dem Arbeitszeitgesetz. Keines dieser Gesetze verpflichte den Betroffenen zu der in Frage stehenden Aufzeichnung und Dokumentation der werktäglichen, regulären Arbeitszeiten eines Arbeitnehmers in einer Festanstellung.

OLG Hamm: Beschluss vom 18. Oktober 2016 – 3 RBs 277/16